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Medikamente gegen Krebs

Medikamente gegen Krebs oder wovon Nixon geträumt hat

Ein Beitrag von Dr. Matthias Kromayer
General Partner der MIG Capital AG

Neun von zehn unserer Zeitgenossen würden auf die Frage nach der schlimmsten Geißel der Menschheit derzeit wahrscheinlich das Coronavirus nennen. Angesichts der akuten medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen ist dieser Irrtum verzeihlich. Tatsächlich bleibt Krebs wie in den vergangenen Jahrzehnten unangefochten die Nummer eins bei den nicht vom Menschen selbst verursachten Plagen.

 

Vor 50 Jahren träumte der später anderweitig berühmt gewordene US-Präsident Richard Nixon vom „Cancer Moonshot“. Trotz seiner Initiative ist heute bei vielen Tumoren immer noch die altbackene Trias aus „Operation – Bestrahlung – Chemo“ die Therapie der Wahl mit geringer Auswirkung auf die Überlebenswahrscheinlichkeit, -dauer, und -qualität der Patienten. Für Millionen jedes Jahr neuerkrankter Menschen weltweit eine wenig attraktive Perspektive.

 

Aufmerksame MIG-Anleger wissen natürlich, dass seit etwa zehn Jahren endlich eine vierte, sehr viel mächtigere Waffe im Krieg gegen den Krebs eingesetzt wird: das Immunsystem der Patienten selbst. Seine eigentliche Aufgabe ist die Abwehr krankheitserregender Bakterien, Viren und Parasiten. Wenn wir es aber geschickt und zielgerichtet gegen Krebszellen aktivieren, kann das Immunsystem sogar fortgeschrittene Tumore wirksam in Schach halten oder sogar zum Verschwinden bringen. Dieses neue Feld der „Immunonkologie“ (oft „I/O“ abgekürzt) gehört zu den faszinierendsten Entwicklungen der molekularen Medizin und stellt inzwischen die weltweit umsatzstärksten Medikamente: Allein der I/O Spitzenreiter, Keytruda (Merck & Co.), erlöste 2020 rund 14,4 Mrd. US$ und belegte damit im globalen Pharmamarkt den zweiten Platz. Ohne den Corona-Sondereffekt von BioNTech/Pfizers Comirnaty wäre Keytruda 2021 wahrscheinlich sogar der Spitzenreiter.

 

Medikamente gegen Krebs dank Immunonkologie

 

Um zu verstehen, warum Keytruda und andere I/O-Medikamente so erfolgreich sind, und warum viele Krebspatienten dennoch weiterhin ein großes Problem haben, hilft ein Blick in die faszinierende Welt der Immunologie. In unserem Körper geht es bildlich gesprochen zu wie in einer Großstadt zur Rushhour. Auf den „Straßen“ des Immunsystems – also in Blutgefäßen, Lymphbahnen und Geweben – tummeln sich gleichzeitig unglaublich viele unterschiedliche „Player“: große und kleine Moleküle, aggressive und ausgleichende Zellen, Marktschreier und ehrliche Arbeiter, Generäle und Soldaten. Dazu jede Menge Transportfahrzeuge, Verkehrspolizisten, Parkzonen, Ampeln, Straßensperren, Tankstellen. Damit es zu keinen Unfällen kommt, steht die Regulierung dieses riesigen Verkehrssystems – unseres Immunsystems – an oberster Stelle. Immerhin wäre niemandem geholfen, wenn sich Immunzellen wild auf alles stürzten, was ihnen in die Quere kommt.

 

Die Evolution hat diese Steuerungsaufgabe der Immunreaktion elegant gelöst: Sie hat gleich ein ganzes Regulatom eingesetzt, also eine Vielzahl einzelner Kontrollpunkte, die eine Immunzelle überwinden muss, bevor sie beispielsweise eine Zielzelle angreift. Diese Checkpoint genannten Moleküle sind entweder auf der Seite der Immunzellen selbst oder auf der Seite der Zielzelle angebracht. Zusammen sorgen sie für eine Balance der Immunantwort – also Selbstverteidigung ohne Selbstschädigung.

 

Spätestens seit BioNTech wissen die MIG-Anleger aber auch, dass sich eine solche Investition lohnen kann und es nicht bei einem Traum bleiben muss.

 

Nun sind Tumorzellen ebenfalls das Ergebnis einer Evolution, und zwar einer sehr schnellen und umfangreichen. Wer der Ansicht ist, dass Krebszellen einen Charakter haben, könnte das Ergebnis als geradezu niederträchtig bezeichnen: Krebszellen entführen und missbrauchen Checkpoints, um der Aufmerksamkeit und den Angriffen des Immunsystems zu entgehen. Die aggressivsten Tumore treiben es so weit, dass die Immunzellen selbst dann nicht „zubeißen“ können, wenn sie schon an die Krebszellen angedockt haben.

 

MIG Fonds und ATHOS von iOmx überzeugt

 

Glücklicherweise kann man die Checkpoints hemmen, dadurch ihre Wirkung in manchen Fällen weitgehend neutralisieren, den Tumor wieder empfindlich für den Angriff machen. Keytruda und andere I/O-Medikamente tun genau das – beeindruckend gut. Der Haken: Der spezielle Checkpoint, an dem sie angreifen, kommt nur bei manchen Krebsarten vor und auch dort nicht bei jedem Patienten. Die Folge: Nur einer kleinen Zahl an Patienten ist wirklich geholfen. Dass die Checkpoint-Hemmung aber grundsätzlich prima funktioniert, motiviert die führenden Krebsimmunologen weltweit, nach weiteren solcher Checkpoints zu suchen und dann Arzneimittel dagegen zu entwickeln.

 

Einer von ihnen heißt Philipp Beckhove und forscht als Direktor am Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie. Zusammen mit seinem früheren Doktoranden Nisit Khandelwal hat er ein cleveres System entwickelt, mit dem man zuvor unbekannte Regulatoren des Immunsystems entdecken kann, ja, eigentlich das gesamte Regulatom des Menschen. Vor einiger Zeit gründeten die beiden mit international renommierten Investoren das Unternehmen iOmx. Das „i“ steht – suprise, surprise – für „immun“, „OMX“ für die verschiedenen „-omics“-Technologien, die sie einsetzen, vor allem Genomik, aber auch für das oben erwähnte Regulatom.

 

Seit der Gründung hat iOmx mehrere neue Checkpoints entdeckt und Wirkstoffe dagegen entwickelt. Der erste von ihnen soll nächstes Jahr in die Klinik, also die Testung am Menschen. Das MIG-Fondsmanagement hat nun zusammen mit ATHOS, dem Family Office der Familie Strüngmann, eine große Finanzierungsrunde bei iOmx angeführt. Weil wir glauben, dass iOmx eine ausgezeichnete Startposition im Rennen um neue Checkpoints und Medikamente dagegen hat. Das medizinische und kommerzielle Potential des Unternehmens ist enorm, die Herausforderungen sind es ebenfalls, und alle Beteiligten wissen, wie lange der Weg zum Erfolg ist – wie immer bei biopharmazeutischen Unternehmen, die antreten, die Medizin zu verändern.

 

Spätestens seit BioNTech wissen die MIG-Anleger aber auch, dass sich eine solche Investition lohnen kann und es nicht bei einem Traum bleiben muss.

12. Oktober 2021 | Foto: iOmx

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