Innatera vermarktet ihren ersten KI-Chip zur Auswertung von Sensordaten
Autor: Dr. Søren Hein, Venture Partner MIG Capital
Das MIG Fonds Beteiligungsunternehmen Innatera schreitet nun nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit zur Vermarktung ihres ersten Chips, „Pulsar“ genannt. Das Herzstück dieses winzigen Chips ist ein neuronales Netz nach dem Muster des menschlichen Gehirns, ein sogenanntes „Spiking Neural Network“ (SNN), das sich deutlich von herkömmlichen Netzen unterscheidet. Komplettiert wird dies durch einen kleinen, herkömmlichen Mikrocontroller so wie ein kleines, klassisches neuronales Netz (CNN). Das komplexe System wird mit einem eigens entwickelten Software-Stack programmiert, und mitgelieferte Beispiele vereinfachen für den Programmierer die Arbeit radikal.
Innateras Pulsar-Chip macht Sensoren intelligent.
Damit kann die Firma große Vorteile in der direkten Auswertung etwa von Radar- oder Sprachdaten erzielen. Dank seines extrem niedrigen Stromverbrauchs kann Pulsar im Dauerbetrieb einfache Klassifizierungen wie z.B. Präsenzdetektion durchführen („Mensch/kein Mensch“), die heute entweder gar nicht praktikabel sind oder wesentliche Nachteile wie z. B. regelmäßige Batteriewechsel mit sich führen. So kann ambiente, unscheinbare Intelligenz in Alltagsobjekten zunehmend zur Realität werden – man spricht von „edge computing“ im Gegensatz zu Datenzentren oder „cloud computing“.
Pulsar wird von TSMC, also vom größten Chiphersteller der Welt produziert.
Nach dem Test wird der Chip auf einer kleinen Platine mit anderen Chips integriert, die sich als Gesamtdemonstrator für die Applikationsanwendung und auch für die Validierung in realen Anwendungen eignet – ein sogenanntes „evaluation kit“. Diese Platine wird nun an wartende Kunden ausgeliefert.
Was ist der technologische Kick bei Innatera-Chips?
Sowohl ein CNN als auch ein SNN hat „Neuronen“, die mit biologischen Neuronen gewisse Ähnlichkeiten haben und die mit anderen Neuronen kommunizieren. In einem CNN schicken die Neuronen in einem starren, digitalen Zeitraster ganze digitale Rechenwerte weiter. In einem SNN, wie auch im Gehirn, schicken die Neuronen stattdessen Pulszüge von „Spikes“, also kurze Signale, deren Größe immer ungefähr gleich sind aber deren Dichte oder Häufigkeit variieren kann, und die sich an keinem starren Raster halten. Daher kommt auch der Name Pulsar.
Es stellt sich heraus, dass Signale mit einer wichtigen zeitlichen Dimension sich sehr gut für die Auswertung mit SNN’s eignen, d.h. ein SNN braucht viel weniger Neuronen als ein CNN, um diese Signale zu klassifizieren. Hinzu kommt, dass die einzelnen Neuronen nicht mehr digital und aufwändig sind, sondern analog und einfach, wie auch im Gehirn – man spricht von neuromorpher Verarbeitung.
Mit den richtigen neuen Algorithmen und Software-Tools können für geeignete Anwendungen enorme Vorteile realisiert werden.
Im Vergleich zu klassischen Methoden kann der Vorteil im Extremfall einen Faktor 100 in der Latenz („Wartezeit“) und einen Faktor 500 im Energieverbrauch erreichen. Die Gesamtheit der Technologien wird nur von ganz wenigen Firmen auf der Welt beherrscht.
Erforscht wurde dieser hochinnovative neuromorphe Chip-Architektur zunächst an der Technischen Universität Delft in den Niederlanden – einer der europäischen Spitzenhochschulen für Ingenieurwissenschaften. Unser Beteiligungsunternehmen Innatera begann dann 2018 als Ausgründung dieser Universität, an der sich die MIG Fonds 8 und 16 im Jahr 2020 beteiligten. Mitte 2024 schloss Innatera erfolgreich eine Serie-A-Finanzierung in Höhe von 21 Millionen US-Dollar ab, mit der sich das Start-up die notwendigen Mittel für die weiteren Aktivitäten sicherte.
Die Anwendungsfelder der neuartigen Chip-Architektur sind breit. Sensoren befinden sich in Milliarden von Geräten – in Fitness-Uhren, in Mobiltelefonen, in Autos und vielem mehr. Die Prognose lautet: Im Jahr 2030 werden 63 Milliarden Sensoren Daten generieren, die weitaus effizienter und intelligenter als heute ausgewertet werden müssen. Diese Lücke zu füllen ist die Mission von Innatera.
Wie geht es weiter?
Derzeit werden Kunden mit evaluation kits bemustert. Falls alles nach Plan läuft, sollten einzelne Kunden im nächsten Jahr dann Produkte in den Markt bringen, in die Innateras neue Chip-Architektur integriert ist.