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Warum Venture Capital und Start-ups Privatanleger brauchen

Ein Beitrag von Frederick Michna
Principal der MIG Capital AG

Die schlechte Nachricht vorweg. Es ist kein Geheimnis, dass der Markt für Start-up-Finanzierungen derzeit eine Durststrecke durchlebt. Die Kassen vieler VC-Fonds sind zwar voll, doch es herrscht viel Zurückhaltung und das ohnehin eher zarte Pflänzchen professionellen Risikokapitals leidet unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Als Folge, so berichtete unlängst das „Handelsblatt“, mussten 67 Start-ups in den ersten drei Monaten 2023 Insolvenz anmelden – auch das Portfolio bei MIG blieb davon nicht unberührt. Vor allem für Unternehmen, die an grundlegenden technologischen Innovationen beispielsweise im Hardware-Bereich arbeiten, fehlt überlebensnotwendiges Kapital.

Zu diesem sensiblen Zeitpunkt kommt eine prominente Studie des Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) gerade recht. Das Positionspapier „Eine neue VC-Agenda für Deutschland und Europa“ verdeutlicht die Notwendigkeit, weshalb wir privates Wachstumskapital mobilisieren müssen und wie das gelingen kann. Der BVK analysiert die überragende Rolle von Risikokapital für die Zukunft unserer Volkswirtschaft, aber auch den kritischen Mangel an Venture Capital, insbesondere im Vergleich zu den USA aber auch zu China.

Gut, aber nicht gut genug

Richtig ist, dass in den vergangenen Jahren auch in Deutschland ein funktionierendes Ökosystem für VC-Kapital entstanden ist. Es wird in Medien viel über die Gründerszene, etwa über Einhörner, berichtet. Allerdings ist der Abstand zu den USA weiterhin gewaltig. Nur eine Zahl: 2022 flossen in den USA 188 Milliarden Euro Risikokapital in Start-ups, in Europa lediglich 77 Milliarden. Deutschland ist dabei in Europa keineswegs spitze. Hierzulande sammelte die Gründerszene im vergangenen Jahr lediglich 9,4 Milliarden Euro von Investoren ein. Ein gewaltiges Gap im Vergleich zu den USA.

Derzeit besteht die Gefahr, dass sich die Lücke zwischen deutschem/europäischem und US-amerikanischem VC-Markt noch vergrößert, auch weil US-Investoren, die in den vergangenen Jahren massiv in Deutschland und Europa aktiv waren, sich wieder stärker auf ihren Heimatmarkt fokussieren.

Kapital in europäischen und deutschen Altersversorgungssystemen sowie von privatem Vermögen wäre ausreichend vorhanden, um in junge Technologieunternehmen zu investieren. Dieses Potenzial gilt es zu aktivieren.

Noch schwerer wiegt: Der Schwachpunkt der deutschen und europäischen Gründerszene bleibt weiterhin das Fehlen eines funktionierenden IPO-Marktes. Es gibt zahlreiche vielversprechende Geschäftsideen, die sich anfänglich gut entwickeln. Wenn es dann aber in die entscheidende Wachstumsphase oder es um komplexe Technologiethemen geht, fehlt oftmals Kapital. Die hiesigen VC-Investoren können die notwendigen Investitionssummen nicht mehr aufbringen, Börsengänge von jungen Firmen, die noch keine schwarzen Zahlen schreiben, sind aber in Europa nur vereinzelt möglich. Auch hierzu eine Zahl: Das gesamte weltweite IPO-Volumen betrug 2021 rund 600 Milliarden US-Dollar, der Anteil, der auf Deutschland entfiel, war magere 12 Milliarden Euro (2 %). Und dies, obwohl Deutschland als Innovationsland mehr als 770 Biotech-Unternehmen, 114 NobelpreisträgerInnen sowie zehn der weltweit Top 100 Wissenschafts- und Technologiecluster beheimatet.

Der BVK stellt ebenfalls fest, dass Kapital in europäischen und deutschen Altersversorgungssystemen sowie von privatem Vermögen ausreichend vorhanden wäre, um in junge Technologieunternehmen zu investieren und damit in Wachstumstreiber und Gestalter des notwendigen Transformationsprozesses unserer Volkswirtschaft. Dieses Potenzial gilt es zu aktivieren. So wie in den USA, wo hinter den großen VC-Fonds noch größere Investment- und Pensionsfonds stehen, die jedes Jahr zig Milliarden in die Start-up Szene steuern.

Die Autoren richten deshalb einen Appell an die Politik, die Rahmenbedingungen für die Gründerfinanzierung in Deutschland zu verbessern, inklusive der Aufforderung einer breiteren Verankerung der Vorteile von Investitionen in Wachstumskapital in der Bevölkerung sowie einer breiteren Mobilisierung von Vermögen privater Haushalte für Innovationen. Denn in der Tat würden schon 1,2 % der Geldvermögen privater Haushalte in Deutschland reichen, um die Finanzierungslücke gegenüber den USA zu schließen.

Demokratisierung von VC

Nun zu der guten Nachricht: Wir als MIG tun, was der Verband fordert. Wir kanalisieren privates Kapital von Anlegerinnen und Anlegern in die Gründerszene und leisten damit unseren Beitrag zur Demokratisierung von Venture Capital, einer attraktiven und wichtigen Assetklasse, die ansonsten nur vermögenden Personen oder institutionellen Investoren vorbehalten ist. Wir tun dies seit fast 20 Jahren sehr erfolgreich und konnten schon viele innovative und disruptive Cases wie BioNTech, Siltectra und andere junge Deep-Tech-Firmen co-finanzieren. Das war nicht nur gut für die deutsche und europäische Wirtschaft, wo wir Finanzierungslücken für Fortschritte in Medizin- und Umwelttechnologien geschlossen haben, sondern auch für das Portemonnaie unserer Anleger. Natürlich ist das auch mit Risiken und Aufwand verbunden, aber echte Innovation geht nur über Disruption wie das Beispiel Tesla zeigt. Evolution und inkrementelle Verbesserungen reichen nicht, um dauerhaft im Wettbewerb der Zukunft zu bestehen und die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen.

Wir engagieren uns dabei mit langem Atem. Deshalb sind wir bei MIG auch gut für die anstehende, nicht einfache Phase gerüstet. Das zeigen unsere jüngsten Erstinvestments in diesem Jahr in mbiomics, Talpa und kürzlich in Look Up Space (Frankreich). Wir kommen damit unserem Auftrag nach, unser Portfolio weiter zu diversifizieren, neueste Trends und Technologien aufzugreifen und damit Risiken zu streuen.

Insgesamt gibt uns eine vorausschauende Liquiditätsplanung ausreichend Spielräume, unsere aktuellen Beteiligungsunternehmen auch kapitalseitig durch die derzeitige Durststrecke zu führen. Als einziger VC-Fonds in Deutschland, der privaten Anlegerinnen und Anlegern im relevanten Maßstab durch regulierte Publikumsfonds das Segment der Risikokapitalfinanzierung eröffnet, fühlen wir uns gut aufgestellt. Wir werden in 2023 und darüber hinaus weiterhin unsere intensive Investitionsaktivitäten aufrechterhalten und weitere neue Beteiligungen eingehen, denn wir wissen: echte Champions entstehen in Krisenzeiten.

Grundsätzlich stimmen wir dem Vorstoß des BVCap zu, mehr Anlageangebote für private Haushalte zur Beteiligung an VC-Investments zu schaffen. Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft und wir könnten gemeinsam mit anderen privaten Fonds an der Umsetzung von Ideen und Innovationen in tragfähige Geschäftsmodelle arbeiten. Zudem würde Venture Capital über mehr Fonds, die sich an Privatanleger wenden, zusätzliche Akzeptanz in der breiten Bevölkerung bekommen.

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