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Billionen Untermieter – von good und bad guys in unserem Darm

Ein Beitrag von Dr. Matthias Kromayer
Managing Partner der MIG Capital AG

Nein, wir sind nicht allein. Auch wenn wir Menschen glauben, als Krone der Schöpfung unsere Entscheidungen ganz allein und selbst zu treffen: Unser Körper beherbergt tausende Milliarden von Kleinstlebewesen, die bei vielem, das unser Leben bestimmt, ein gehöriges Wörtchen mitreden. Allein unsere sogenannte Darmmikrobiota besteht aus ungefähr 100 Billionen Bakterienzellen. Darüber hinaus beherbergt der Darm jede Menge Pilze und unzählige Viren.

Je nachdem, wie wir uns ernähren, bildet sich dort ein beeindruckendes Ökosystem verschiedenster Mikroorganismen, auch Mikrobiom genannt. Seine verschiedenen Bewohner sind dabei perfekt an die speziellen Lebensbedingungen in unserem Verdauungstrakt angepasst. Und sie profitieren natürlich von der paradiesischen Vielfalt an Nährstoffen. Aber in einer komplexen Symbiose tragen sie auch einen wertvollen Beitrag zum gemeinsamen Ökosystem mit ihrem Wirt bei – also uns Menschen.

Ein funktionierendes, reguliertes Mikrobiom ist wichtig für unsere eigene Gesundheit. Seit Jahrzehnten wissen wir: Verliert es Balance und Funktion, so kann es auch die Entstehung von Krankheiten fördern. Inzwischen müssen wir sogar erkennen, dass manche Krankheiten überhaupt erst durch ein defektes Darmmikrobiom verursacht werden. Erstaunlicherweise lässt sich diese Erkenntnis in ausgewählten Fällen nutzen, um Krankheiten zu heilen. Kürzlich ließ die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die erste Fäkaltransplantation als Therapie schwerster Darminfektionen zu. Dafür wird der Darm des Patienten zuerst so weit wie möglich von eigenen Bakterien gereinigt. Anschließend erhält er ein aufbereitetes Stuhlpräparat eines gesunden Spenders. Für die betroffenen Patienten ist die Therapie die letzte Rettung.

Das Verfahren ist aber unsicher, teuer, nicht standardisier- und skalierbar und damit kaum breit einsetzbar. Und trotz des beeindruckenden Meilensteins bleiben viele Rätsel ungelöst und ebenso viele praktische Fragen unbeantwortet: Was bedeutet überhaupt eine „gesunde“ Darmflora, welche Bedingungen brauchen die „good guys“, also die gesundheitsfördernden Bakterien, wie beeinflussen die „bad guys“ das Darmmilieu und vor allem: Wie genau verursacht ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom denn überhaupt Krankheiten an ganz anderen Stellen unseres Körpers, zum Beispiel im Gehirn, wie im Fall der Parkinson-Krankheit?

Dass wir diese Zusammenhänge nach Jahrzehnten mikrobiologischer Forschung immer noch nicht verstehen, hat zwei Gründe: Erstens ist das Darmmikrobiom jedes Menschen individuell und unglaublich vielfältig, geradezu ein eigenes Universum für sich. Und die reine An- oder Abwesenheit bestimmter Bakterien erklärt noch lange nicht die Wechselwirkungen mit unserem Körper. Vielmehr muss man dabei auch die Stoffwechselprodukte der Bakterien und ihren Einfluss zum Beispiel auf unser Immunsystem verstehen. Die Anleger einiger unserer MIG Fonds, die in die Innsbrucker biocrates ag investiert haben, kennen die zunehmende Bedeutung der Metabolomik bei der Untersuchung dieser spannenden Wechselwirkungen.

Zweitens fehlen uns bislang auch die geeigneten Methoden, viele verschiedene Bakterien gleichzeitig, schnell und billig in Stuhlproben zu messen und mit den Stoffwechselmessungen in Verbindung zu bringen.

Unser neues Portfoliounternehmen mbiomics bringt nun zwei neue Ideen ins Spiel: Zum einen haben sie eine Methode entwickelt, die zur routinemäßigen Analyse des Darmmikrobioms besser geeignet erscheint als die bisher etablierten. Das Verfahren ist noch ein Stück vom Routineeinsatz entfernt, aber es könnte den Schlüssel für ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge bieten.

Zum andern denkt das Unternehmen vom Ende her: Die langfristige Vision ist ein Arsenal sogenannter synthetischer bakterieller Konsortien. Mit ihnen sollen die Ärzte, ähnlich wie mit den neuen Stuhltransplantaten, „missratene“ Mikrobiota patientenspezifisch durch neue, leistungsfähige ersetzen. Damit könnten sie langfristig bisher nicht zugängliche Erkrankungen behandeln und vielleicht sogar heilen. Dass diese neuartigen Therapeutika deshalb erhebliche wirtschaftliche Potenziale bergen, erstaunt wohl niemanden.

Eine solche individualisierte Mikrobiomtherapie mag im Jahr 2023 nach Science Fiction klingen. Zweifellos muss das Gründerteam um Laura Figulla auf dem Weg dorthin noch zahlreiche wissenschaftliche, technische und medizinische Herausforderungen meistern. Dabei werden sie auch Gelegenheiten haben, zu scheitern.

Die Anleger unserer MIG Fonds wissen aber, wie sehr es sich lohnen kann, rechtzeitig auf bahnbrechenden Technologien und Strategien zu setzen. Denn weiterhin gilt, was der geniale französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur schrieb: „Die Mikroben werden das letzte Wort haben“.

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